Vereinte Nationen
Dieser Artikel stammt (evtl. teilweise) von Rudolph Bauer. Ähnliche Artikel enthält auch sein Buch "Kritisches Wörterbuch des Bunten Totalitarismus".
auch: UN; United Nations Organization, dt.:, Organisation der Vereinten Nationen
Polyarchisch wuchernder, von Privatinteressen durchsetzter (siehe Korporatismus und Governance) und über zahlreiche Gremien – d. h. Organe (Generalversammlung, Sekretariat, Sicherheitsrat, Internationaler Gerichtshof, Treuhandrat, Wirtschafts- und Sozialrat), Nebenorgane (für Entwicklungspolitik, Sicherheitspolitik, humanitäre Angelegenheiten, Ausbildungs- und Forschungsaktivitäten) sowie zahlreiche, unten aufgeführte Sonderorganisationen – verfügender internationaler Zusammenschluss von Staaten, vertreten durch deren Regierungen bzw. durch die Diplomaten der betreffenden Staaten, sprich: ohne direkte demokratische Legitimation und ohne Berücksichtigung der jeweiligen Minderheiten und oppositionellen Kräfte in den Mitgliedsländern.
Die UNO wirkt (a.) als Agenda-Setter und richtungsweisend bei der Aushandlung internationaler Verträge und Top-Down-Beschlüsse im Interesse mächtiger politischer und wirtschaftlicher Akteure (siehe Agenda 2030); ursprünglich diente sie (b.) dem Ausgleich von Konflikten und Spannungen zwischen ehemaligen Kolonialstaaten und ihren Kolonien, sowie (c.) zur Scheinbefriedung bei Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen.
Ihre Friedensfunktion, verkörpert durch den Sicherheitsrat (in dem die afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten über keinen ständigen Sitz verfügen), scheitert zunehmend am Vetorecht der Mitglieder, beispielsweise war dies der Fall beim Angriffskrieg der USA 2003 gegen den Irak.
Die Entstehung des zwischenstaatlichen Zusammenschlusses von heute 193 Staaten geht zurück auf die 1945 bei der Konferenz von Jalta vereinbarte Charta der Vereinten Nationen, die am 26. Juni 1945 auf der Konferenz von San Francisco von 50 Staaten unterzeichnet wurde und am 24. Oktober 1945 in Kraft getreten ist. Die USA ratifizierten als erster Staat die Charta und boten den Vereinten Nationen als Sitz New York an.
Als globale internationale Organisation verfügt die UN über den Status eines anerkannten Völkerrechtssubjekts. Sie wird folglich als eine Art Superregierung mit der besonderen Funktion des Agenda-Settings (etwa in Gesundheits- und Klimafragen) wahrgenommen. Ihre weltweite Anerkennung und politische Legitimität resultierte ursprünglich zum einen aus ihrem Entstehungszusammenhang am Ende des Zweiten Weltkriegs (Anti-Hitler-Koalition der Siegermächte) und zum anderen aus ihren auf dem Papier der Charta festgelegten Aufgaben und einer Reihe von hehren, unwidersprochen anerkannten Zielen: „die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit“.
Als Vermittler- und Ausgleichsinstanz zwischen den beteiligten Staaten mit unterschiedlicher kolonialer Vergangenheit ist die UN tätig „auf wirtschaftlichem, sozialem, humanitärem und ökologischen Gebiet“. Institutionell manifestieren sich diese Tätigkeitsbereiche in einer Reihe von polyarchisch wirkenden Sonderorganisationen, als da u. a. sind: die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO mit Sitz in Rom; die Internationale Arbeitsorganisation ILO in Genf; der Internationale Währungsfonds IWF in Washington; die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur UNESCO in Paris; die Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf; das Kinderhilfswerk UNICEF in New York und die Weltorganisation für Meteorologie WMO in Genf. Letztere veranstaltete 1979 in Genf die erste Weltklimakonferenz (siehe UN-Klimakonferenz).
1988 errichtete die WMO zusammen mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen / UNEP den im Deutschen kurz als Weltklimarat bezeichneten „Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen“ (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change / IPCC). 2001 verabschiedeten die Vereinten Nationen zusammen mit der Weltbank, dem IWF und dem Development Assistance Committee der OECD die folgenden „Millennium-Entwicklungsziele“ mit dem Oberziel der „globalen Zukunftssicherung“:
„Bekämpfung von extremer Armut und Hunger; Primärschulbildung für alle; Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen; Senken der Kindersterblichkeit; Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter; Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten; ökologische Nachhaltigkeit; Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung“.
Von besonderer Bedeutung erscheinen hierbei die Bereiche Gesundheit (siehe Pandemie), Klima (siehe UN-Klimarahmenkonvention) und Umwelt als konkrete Themenschwerpunkte der UN und ihrer Sonderorganisationen. Als Nachfolgeprojekt der „Milleniumsziele“ gilt die 2016 in Kraft getretene Agenda 2030.
Der Einfluss staatlicher und nicht-staatlicher Akteure erfolgt nicht zuletzt über die Finanzierung der UNO (siehe Korporatismus); zum einen beteiligen sich die Staaten anteilsmäßig in unterschiedlicher Höhe am UNO-Haushalt (z. B. Deutschland 2019 bis 2021 als einer der 193 Mitgliedstaaten mit 6,1 % - vorher 8,7 % - der Pflichtbeiträge) oder sie verweigern die Zahlung durch Beitragseinbehaltung (z. B. temporär die USA in erpresserischer Absicht); zum anderen werden UNO-Organisationen und -Aktionen durch Spenden von Unternehmen und Stiftungen sowie im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften finanziert.
Wie bei faschistischen Staaten zu beobachten, sind Teile des globalen Gesamtnetzwerks der UNO eng mit wirtschaftlichen Interessen verbunden aufgrund der Teilfinanzierung der Sonderorganisationen aus nicht-staatlichen Quellen; Beispiel: Finanzierung der WHO aus Mitteln der Bill und Melinda Gates Foundation. Generell lässt sich hinsichtlich der UNO und ihrer auf globaler Ebene tätigen Sonderorganisationen feststellen, dass sie (1.) eine korporatistisch enge Verbindung zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Interessen verkörpern und (2.) durch das Neben- und Gegeneinander konkurrierender Institutionen eine polyarchische Struktur aufweisen.
Ähnlich existierten im Nationalsozialismus korporatistische Verbindungen zwischen Staat und Wirtschaft sowie konkurrierende Machtzentren. Bürokratische Parallelstrukturen und erbitterte Konkurrenzverhältnisse – etwa zwischen staatlichen Instanzen und der NSDAP, anfangs auch noch im Verhältnis zu den alten Eliten, zwischen Wehrmacht und Waffen-SS oder dem Reichsarbeitsminister und dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz – widersprechen zwar dem NS-„Idealbild“ des hierarchisch straff organisierten Führerstaates (vgl. Neumann 1977); sie werden ebenso von der Historiografie durch die einseitige Betonung des Führerprinzips ausgeblendet. Die totalitäre Realität des völkischen National-Faschismus wiederholt sich bei der UNO in strukturelle Hinsicht auf der globalen Ebene: Bunte Völkergemeinschaft statt brauner Volksgemeinschaft.